Das Theaterstück „Hin- und Wegsehen“ ist für Schüler konzipiert, die der Altersgruppe 15 Jahre und älter angehören. So war das Stück für die Schülerinnen und Schüler des 9. Jahrganges unserer Schule gedacht, die sich auch pünktlich um 10.00 Uhr in der Aula der Gesamtschule einfanden. Auf der Bühne war ein Zimmer mit Mobiliar aufgebaut, Strahler setzten das Bühnenbild in Szene.

Die Aufführung des Stückes wird von drei Personen getragen: Sem, Juli und Vera, ihre Stiefschwester. Diese kam nach 5 Jahren Abwesenheit aus Afrika zurück, wo sie mit einem Afrikaner verheiratet ist und ein gemeinsames Kind haben.

Sem und Juli gehören, nachdem sie ein Paar hätten werden können, unterschiedlichen Cliquen an. Juli einer rechten, Sem einer Gruppe mit Migrationshintergrund. Ein sehr aktuelles Thema, dass da Eingang ins Theaterstück fand. Damit ist genügend Zündstoff gelegt, um die unterschiedlichen Positionen der beiden jungen Leute darzustellen. Ihre Cliquen sind verfeindet: Verletzungen, Mobbing und Vorurteile bestimmen den Alltag und den Umgang miteinander. Die rechtsradikale Gruppe neigt zu Gewalt, so dass Schlägereien nicht ausbleiben. Menschenverachtende Äußerungen führen fast täglich zu Streitereien, und so ist es nicht verwunderlich, dass bei einem Aufeinandertreffen der Gruppen die Situation immer wieder eskaliert. Julis Schwester Vera versucht beim Besuch, ihre Schwester zur Vernunft zu bringen, scheitert aber. Als sie sieht, dass sie ihre Schwester nicht mit Argumenten zur Vernunft bringen kann, verlässt sie die Wohnung. Geschichtliche Ereignisse wie zum Beispiel die Reichskristallnacht oder der Holocaust werden so von ihrer Schwester verdreht und für ihre Zwecke missbraucht, dass es dem Zuschauer fröstelt. Es ist kein Einsehen bei Juli zu finden.

Sem und seine Freunde fürchten um ihr Leben und Juli denkt nach wie vor, dass sie für die rechte Sache kämpft. Zum Schluss muss sie schmerzlich erkennen, dass Rechts nicht Recht ist. Der Verlierer in der Geschichte ist Sem, der bei einer Auseinandersetzung mit Juli durch einen Schuss aus ihrer Pistole im Handgemenge stirbt. Nur ein Unglücksfall? Juli ist geschockt und verzweifelt. Das dramatische Ende des Stückes geht unter die Haut.

Nach der Aufführung des Stückes hatten die Schülerinnen und Schüler noch die Möglichkeit, mit den drei Schauspielern zu reden. Sie wurden dabei auf Kleinigkeiten aufmerksam gemacht, die vielen so nicht bewusst waren. Auf das schwarze T-Shirt von Juli war der Spruch zu lesen: “Wir sind Deutschland“. Die Farben schwarz, weiß und rot. Dies waren zum einen die Farben des Kaiserreiches, der Weimarer Republik, aber auch des Nazi-Deutschlands. Nehmen wir hier nur die Hakenkreuzfahne oder das Banner, dass als Dekoration im Zimmer von Juli hing – auch hier die Farben schwarz, weiß und rot. Und der Spruch, der auf diesem Banner zu finden war, lautete „Meine Ehre heißt Treue“. Dies war ein Leitspruch der SS im Nazi-Deutschland.

Dies sind Symbole, die den Schülern so sicherlich nicht bewusst aufgefallen sind. Aber der Hinweis im gemeinsamen Gespräch hat sicherlich den ein oder anderen Schüler aufhorchen lassen.

Es ließe sich sicherlich noch mehr über die Aufführung anführen. Aber ich denke, dass hier die Lehrer noch eine Nachbereitung mit den Schülern in der nächsten Unterrichtsstunde durchführen sollten. Es sollte den Schülern vermittelt werden, dass rechtsradikales Gedankengut nichts in einer Schule zu suchen hat, aber auch nicht weiter Fuß fassen sollte in Deutschland. Die Wahlergebnisse vor wenigen Tagen in Mecklenburg-Vorpommern, wo jeder vierte Wähler die AfD gewählt hat, lässt Schlimmes erahnen. Dagegen sollte schon früh gegen gearbeitet werden und die Schule bietet nach einer solchen Aufführung den geeigneten Rahmen.

Bernd Gödde-Knippen

Gesamtschule Gangelt-Selfkant